Pilgern

Alle großen Religionen kennen die Tradition des Pilgerns, des Reisens an einen „heiligen Ort“. In den letzten Jahren ist das Pilgern als spirituelles Wandern immer populärer geworden. Anders als in einer katholischen Spezialform des Pilgerns, des Wallfahrens, wandert der heutige Pilger, die heutige Pilgerin meist individuell, besonders häufig auf Wegen, die nach Santiago de Compostela führen. Jakobswege werden mittlerweile nicht nur in Spanien oder Frankreich, sondern immer öfter vor unserer Haustür rekonstruiert und markiert. Seit 2003 gibt es beispielsweise den Münchner Jakobsweg, der vom Marienplatz zum Bodensee führt.

Heutige Pilgerinnen und Pilger haben meist ein inneres Anliegen oder befinden sich an einer Umbruchssituation des Lebens. Neuorientierung ist deshalb eine wichtige Motivation und oft auch die Selbstfindung. Reizvoll ist für viele auch die Mixtur aus Spiritualität, Natur, Körperlichkeit, Erfahrung, Individualität, Gemeinschaft, Kultur und Einfachheit, die sie auf dem Weg erleben.

Dass durch die Begegnungen mit sich selbst, mit anderen Pilgern oder auch mit Menschen am Weg tiefgreifende, berührende und durchaus spirituelle Erfahrungen, vielleicht Gotteserfahrungen möglich sind, ist eine Chance, die die evangelische Kirche zu nutzen versucht. So wird auch protestantisches Pilgern wieder aktuell: dabei wird Pilgern nicht als eine Möglichkeit verstanden, Sündenablass zu erlangen (aus diesem Grund lehnte Luther das Pilgern ab). Vielmehr besinnt sich die evangelische Kirche auf wichtige biblische Traditionslinien, die von Weggeschichten erzählen.

Die Heilige Schrift berichtet von Abraham bis Jesus von Menschen, die sich auf den Weg machen. Das Bild eines mitziehenden Gottes, der die Menschen begleitet, ist ein Leitmotiv, das die Pilgerinnen und Pilger von heute unmittelbar erleben können.

Eine neue Entwicklung in der evangelischen Erwachsenenbildung ist es, Menschen in Umbrüchen und vergleichbaren Lebenssituationen (z. B. Ruhestand, im Trauerfall) miteinander auf den Weg zu bringen und professionell zu begleiten. Hier wird die Tradition des Pilgerns als Rahmen genutzt, um Menschen unterstützende, stärkende und orientierende Erfahrungen zu ermöglichen.

Das Spirituelle Zentrum St. Martin ist zudem eine Pilgerherberge. Pilgernde werden gebeten, sich im Vorfeld anzumelden.
 

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